UdZ 1-2011
58 Unternehmen der Zukunft 1/2011 UdZ Produktionsmanagement Kaufentscheidungskriterien, umweltpolitische Gesetze sowie die Einsicht, ökonomische Vorteile generieren zu können, haben diese Entwicklung maßgeblich beeinflusst. Neben produkttechnolo- gischen Gesichtspunkten der Produktbehandlung wächst der Aufwand der unterstützenden Planungs- sowie Logistikprozesse. Dies führt dazu, dass eine lange vernachlässigte Teildisziplin des Supply-Chain-Managements (SCM) zunehmend wahrgenommenwird – das Reverse-Supply-Chain- Management (RSCM). Aufgaben des Reverse-Supply-Chain- Managements Die Hauptaufgabe des RSCM besteht darin, die Güter- und Informationsströme, die bei der Rückführung des Primärprodukts vomVerbraucher an den Hersteller und dessen Lieferanten auf- treten, effizient zu gestalten. Dabei können zwei Teilaspekte des RSCM identifiziert werden - die Reverse-Logistics und das Product-Recovery- Management. Reverse-Logistic umfasst alle Aktivitäten, die für den Transport der Altprodukte vomEndkunden bis zurück zumHersteller notwen- dig sind. Zentrale Herausforderungen bestehen hier- bei in der defizitären Informationslage zur Qualität, Quantität und zum Timing der Produktrückflüsse. Die zeitliche Koordination resultiert aus einem nachfragegetrieben Materialstrom [3; 4; 5]. Das Product-Recovery-Management bezieht sich auf alle Prozesse zur materiellen Transformation der Altprodukte im Sinne einer Werterhaltung oder erneuten Wertschöpfungszufuhr. Für die- sen Zweck existieren eine Reihe unterschied- licher Verfahren der Produktbehandlung, die sich hinsichtlich ihrer Demontagetiefe und der Produktbehandlungsebene unterscheiden. Auf der Produktebene existieren die Optionen der direkten Wiederverwendung, welche die Wiedereinbringung des Altprodukts ohne größere Behandlungsmaßnahmen beschreibt, sowie der Reparatur, Instandsetzung, des Remanufacturings und der Kannibalisierung, dieMaßnahmen eines je- weils höherenDemontagegrads und denAustausch von Bauteilen und Komponenten umfassen. Auf der Materialebene können Altprodukte weiterhin im Sinne einer stofflichen oder energetischen Verwertung behandelt werden. Die stoffliche Verwertung dient der Rückgewinnung der in der ProduktfertigungeingesetztenMaterialien. Die ener- getische Verwertung zielt auf die Energiegewinnung durch Verbrennung der Altprodukte ab [1; 6]. Die verschiedenen Optionen der Produktbehandlung verweisen darauf, dass Altprodukte für verschie- dene Integrationszwecke erneut nutzbar ge- macht werden können, die mit unterschiedlichen Integrationsstufen oder Integrationspunkten korre- spondieren. So können rezyklierte Altprodukte auf unterschiedlichenWertschöpfungsstufen entweder über einen Rohstoffmarkt in die Beschaffung, als Halbfertigfabrikat in die Fertigung oder direkt in die Veräußerung von Forward-Supply-Chains gelangen. Bei der Integration in die Supply- Chain des Herstellers spricht man von einem geschlossenen Wirtschaftskreislauf oder einer Closed-Loop-Supply-Chain. Referenzartige Modellierung der Produktrückführung Für eine effiziente Planung und Steuerung der Aktivitäten einer Produktrückführung und entspre- chenden Gestaltung der Reverse-Supply-Chain ist ein strukturiertes Verständnis des Sachverhalts auf Basis allgemeingültiger Aussagen notwendig, das im Rahmendes AiF-Forschungsprojekts durch eine refe- renzartigeModellierungder Abläufe für eine Reverse Supply-Chainangestrebtwird.DiesesReferenzmodell berücksichtigt alle relevanten Prozessschritte der Produktrückführung, Produktbehandlung und Wiedereinbringung und bringt diese in einen inhaltslogischen Zusammenhang. Sie stellt die konzeptionelle Grundlage für die Ableitung von Gestaltungsoptionen dar. Hierfür wurde das SCOR-Modell des „Supply-Chain- Councils“adaptiertundmodelltheoretischumweitere Prozessschritte ergänzt, sodass sich der analytische Fokus des Referenzmodells entsprechend auf die Prozesse einer Reverse-Supply-Chain verschiebt. Die modelltheoretischen Eigenschaften der Struktur, das Notationssystems sowie die Modellebenen werden beibehalten. Das Ergebnis stellt ein Referenzmodell dar, dass über drei Detaillierungsebenen alle Schritte der Produktrückführung beschreibt so- wie die Kernprozesse Plan, Collecting , Selecting , Reprocessing und Reintegration referenzartig abbildet. Der Plan-Prozess beschreibt alle notwen- digen Planungsmaßnahmen einer integrativen Reverse-Supply-Chain. Das Collecting umfasst alle Aktivitäten, die für die Rückführung der ge- brauchten Güter vom Endkunden erforderlich sind. Im Selecting-Prozess werden alle zurückge- führten Altprodukte gereinigt und hinsichtlich ihres Verwertungspotenzials inspiziert. Die Tätigkeiten des Reprocessings beinhalten alle Maßnahmen der Bild 1 Treiber einer Produktrückführung
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