UdZ 1-2013

3 Unternehmen der Zukunft 1/2013 UdZ Editorial Liebe Leser, kaum ein anderes Thema der Produktionsforschung hat im vergangenen Jahr für mehr Aufmerksamkeit gesorgt als das Zukunfts- projekt „Industrie 4.0“. Dieser Begriff beschreibt den grundlegenden Paradigmenwechsel von einer zentralen Koordination zu einer dezentralen, verteilten Selbststeuerung mit dem Ziel einer hochflexiblen Produktion individualisierter Produkte und Dienstleistungen. Durch die zunehmende Verschmelzung der digitalen mit der physischen Welt verschwinden klassische Unternehmensgrenzen und es entstehen neue, übergreifende Handlungsfelder und Kooperationsformen. Im Aktionsplan zur Umsetzung der Hightech-Strategie 2020 setzt die Bundesregierung mit dem Zukunftsprojekt eine ambitionierte Zielmarke: Deutschland soll als Anbieter und Anwender neuer und zukunftsweisender internetbasierter Technologien für die industrielle Produktion (z. B. Cyber-Physische Produktionssysteme) zum Leitmarkt werden. „Industrie 4.0“ steht wie kein anderer Begriff für die vierte industrielle Revolution, die durch das Internet der Dinge und Dienste sowie durch sog. Cyber-Physical-Systems (CPS), d. h. autonome eingebettete Informations- und Kommunikationssysteme, die draht- los untereinander und mit dem Internet vernetzt sind, in Gang gesetzt wird. Zusätzlich zur stärkeren Automatisierung in der Industrie ist die Entwicklung intelligenterer Monitoring- und autonomer Entscheidungsprozesse relevant, um Unternehmen und ganze Wertschöpfungsnetzwerke in nahezu Echtzeit steuern und optimieren zu können. Bei den Themen Embedded Systems und Internet der Dinge ist die Bundesregierung bereits frühzeitig aktiv geworden: Ergebnisse erfolgreicher Initiativen wie des Digitalen Produktgedächtnisses, der Wandelbaren Logistiksysteme, der Autonomik, der Next-Generation-Medias und von Exzellenzclustern wie z. B. „Integrative Produktionstechnik für Hochlohnländer“ und „Kognition für Technische Systeme“ liefern erste grundlegende Forschungsergebnisse, die es im Rahmen weiterer Zukunftsprojekte weiterzuentwickeln gilt. Die Produktion im Unternehmen der Zukunft wird durch eine starke Individualisierung der Produkte un- ter den Bedingungen einer hochflexibilisierten (Großserien-)Produktion, die weitgehende Integration von Kunden und Geschäftspartnern in Wertschöpfungsprozesse und die Verkopplung von Produktion und hochwertigen Dienstleistungen (sogenante hybride Produkte), gekennzeichnet sein. Wertschöpfungsnetzwerke werden zukünftig vom Zulieferer über den Logistikdienstleister bis zum Endkunden informationstechnisch vollständig integriert sein und sich im ständigen Austausch re- levanter Planungs- und Steuerungsinformationen befinden. Durch die lokale Autonomie aktiver digitaler Produktgedächtnisse, die direkt am Ort des Geschehens in der Produktions- und Logistikkette installiert sind, ergeben sich kürzeste Reaktionszeiten bei Störungen und eine optimale Ressourcennutzung in allen Prozessphasen. Zukünftige Produktionssysteme beherr- schen erhöhte Komplexität, sind weniger störanfällig und steigern die Effizienz der Produktion. Sie bieten auf höchstem Produktivitäts- und Qualitätsniveau eine signifikant höhere Flexibilität und Robustheit bei optimalem Ressourceneinsatz. Vorausgesetzt, die deutsche Industrie schafft es, im Rahmen interdisziplinärer Verbundvorhaben zwischen Forschungs- einrichtungen, Industrieunternehmen sowie Technologie- und Softwareanbietern die aufgezeigten Potenziale des Zukunfts- projekts „Industrie 4.0“ zu realisieren und Standards zu deren Umsetzung zu entwickeln, steht uns allen ein Paradigmenwechsel in der Produktion bevor. Dieser wird sich allerdings nicht von heute auf morgen einstellen. Vielmehr bedarf es hierzu einer grundlegenden Produktionsforschung, wie wir sie im Campus-Cluster Logistik mit dem sogenannte „Enterprise-Integration- Center“ (EICe) institutionalisiert haben und in diesem Jahr auch physisch zusammen mit der Demonstrationsfabrik in Betrieb nehmen werden. Mithilfe des EICe und dessen Anbindung an die Demonstrationsfabrik ist das FIR geradezu prädestiniert, entscheidende Beiträge für die Entwicklung und Etablierung „Cyber-Physischer Produktionssysteme“ in der industriellen Praxis zu leisten und das Zukunftsprojekt „Industrie 4.0“ maßgeblich mitzugestalten. So ermöglicht das ERP-Innovation-Lab als eines der drei EICe-Innovation-Labs zukünftig eine vollkommen neue Form der experimentbasierten Produktionsforschung, indem anhand von Echtzeitdaten aus dem Produktionssystem und der Wertschöpfungskette neue Planungs- und Steuerungsverfahren in Realsimulationen erprobt und deren Nutzen quantifiziert werden können. Für den FIR-Bereich Produktionsmanagement ist das Thema „Industrie 4.0“ in diesem Jahr ebenso Bestandteil wich- tiger Forschungsprojekte und -anträge als auch von Veranstaltungen. So leistet der FIR -Bereich mit dem Projekt „ProSense“ (siehe S. 14f.) durch die Erforschung innovativer Produktionssteuerungsmechanismen bereits jetzt einen wesentlichen Beitrag für das Zukunftsprojekt und die Produktion von morgen. Auch die Hauptveranstaltung des FIR -Bereichs Produktionsmanagement – die Aachener ERP-Tage (siehe S. 81) – stehen im Monat Juni ganz unter dem Leitthema „Industrie 4.0“. Mit der vorliegenden Ausgabe der UdZ hoffen wir, Ihr Interesse an logistischen Problemstellungen und Lösungsansätzen wecken zu können und würden uns freuen, wenn wir mit den Inhalten wertvolle Impulse für Ihr unternehmerisches Tagesgeschäft geben können. Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre und freuen uns auf Ihre Resonanz! Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Wirt. Ing. Günther Schuh Direktor des FIR e. V. an der RWTH Aachen Prof. Dr.-Ing. Volker Stich Geschäftsführer des FIR e. V. an der RWTH Aachen

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