UdZForschung 1/2020
52 UdZForschung – Unternehmen der Zukunft 1/2020 FIR-Forschungsprojekte – Leitthema: Globalisierung & Integration Branche (z. B. Handwerk, Industrie) unter- schiedlich sein. Genau hier sollen im Projekt ‚eLLa4.0‘ im weiteren Verlauf konkretere Ergebnisse generiert werden. Mit den skizzierten Folgen von Digitalisie- rung für Führung deuten sich auch bereits entsprechend veränderte Anforderungen an Führungskräfte an, was sich wiederum auf die notwendigen Kompetenzen von Führungskräften auswirkt. Führungskräfte müssen, und dies scheint wenig überra- schend, in Zeiten der digitalen Transforma- tion über digitale Kompetenzen verfügen. Überraschender ist da schon die Vielfalt der Kompetenzen, die etwa Lang 8 unter einer digitalen Grundkompetenz subsumiert. Hierzu gehören etwa Kommunikations- und Vernetzungskompetenz (Kompetenz zur Nutzung digitaler Kollaborationstools wie Webkonferenzen und Live-Meetings; virtuelle Teamfähigkeit), Online- und Medienkompetenz (vorausschauendes Steuern aller Online-Aktivitäten), IT- Anwendungskompetenz (kompetente Nutzung von digitalen Endgeräten; Fähigkeit zur Auswahl, Installation und Konfiguration relevanter Apps), Infor- mationsverarbeitungskompetenz (pro- fessionelle Generierung, Speicherung und NutzungvonPersonal-undGeschäftsdaten), Datensicherheitskompetenz (verantwor- tungsbewusste Speicherung und Weiter- leitung von Daten), digitale Prozess- kompetenz (Simplifizierung von Abläufen durch intelligente Verknüpfung von Schnittstellen), Selbstmanagement und Eigenverantwortlichkeit (ausgeprägte Fähigkeit zur Priorisierung der eige- nen Aufgaben) sowie Lernbereitschaft und Agilität (Fähigkeit zum Umlernen, Lernmotivation, Fehlererkennung). Etwas weniger direkt of fensichtlich als digitale Grundkompetenzen, aber nicht weniger wichtig, scheinen um- fassende Reflexionsfähigkeiten von Führungskräften zu werden. Dies wird bereits in neueren Führungstheorien wie etwa der Authentischen Führung 9 disku- tiert. Kompetenzen wie Achtsamkeit 10 , intrinsischeMotivation und Leidenschaft 11 , Kreativität 12 sowie Vertrauen 13 und ihr Vorlebenwerden immer bedeutsamer, ge- radewennMitarbeiter sich verstärkt selbst steuern oder Tätigkeiten im Homeoffice durchführen. Führungskräfteentwicklung wird indiesemZusammenhangdann immer mehr auch zur Persönlichkeitsentwicklung. Dies deckt sich mit Ausarbeitungen, die Führungskräfte auch als Lerncoach oder Mentor sehen, mit demZiel der Gestaltung von Lernkulturen und der Befähigung der Beschäftigten. 14 Führungskräften kommt dann mehr eine Unterstützungsfunktion zu, es geht um Zusammenhalt, emotio- nale Gestimmtheit und um das Vorgeben von Entwicklungsrichtungen in sich selbst steuernden Teams. Manchmal werden in diesem Kontext auch neue Organisationskonzepte wie z. B. die Holokratie 15 eingeführt. Die Holokratie ar- beitet nicht mit traditionellen Hierarchien, sondern mit Rollen und Zuständigkeiten. Ein zentrales Regelwerk soll helfen, ein Unternehmen zu lenken. Dieses kann stän- dig weiterentwickelt werden. Holokratie setzt auf kleine, schnelle Kurskorrekturen, die große Umsteuerungsmanöver ver- hindern sollen. Sie zielt auf Konsensbildung statt auf Mehrheitsentscheidungen ab. Ob in solchen Settings dann aller- dings noch von Führungskräften ge- sprochen wird, ist dann doch fraglich. Ein Beispiel ist Markus Stelzmann des Wiener Technologieunternehmens Tele Haase (Überwachungstechnologie, Zeitrelais, Leistungselektronik, Netz- und Anlagenschutz). Selbst nennt er sich nach Abschaffung der Führungskräfte nun Regisseur: „Ich bin Lobbyist für The- men, Märchenonkel, Kindergär tner, Kummerkasten und vielleicht auch eine Art vonMentor.NebenbeidarfichinmeinerRolle als Regisseur im Unterstützungsprozess Bilanzen unterschreiben und unter ande- rem mit Banken sprechen. Irgendwie bin ich für alles nach "außen", was noch einen "Geschäftsführer"braucht, dasnotwendige Gegenüber.“ 16 In Konstellationen wie der Holokratie wird Führung dann nicht mehr an einzelne Personen gebunden, sondern als Funktion gesehen, die Unternehmen bei Bedarf hervorbringen können. Führung läuft dann vielmehr verteilt und plural ab (Stichwort „plural leadership“ 17 ). Unternehmen benö- tigen dann die Kompetenz, zu erkennen, wann Führung gebraucht wird und wer einspringt. Jeder Mitarbeiter und nicht nur die vorher benannten Führungskräfte müssen in solchen Settings theoretisch führungsfähig sein. Hierauf muss auch die Kompetenzentwicklung in Unternehmen ausgerichtet sein und es muss gewährlei- stet werden, dass Führung zu einer gene- rellen Kompetenz wird. Lernkulturen sind also zwingend zu etablieren, damit jeder Mitarbeiter diese Kompetenz erwerben kann. Im weiteren Projektverlauf wird es die Aufgabe sein, Antworten auf die skiz- zierten Kompetenzbedarfe zu finden und geeignete Qualifizierungsange- bote zu entwickeln. Ziel sollte es sein, Führ ungsk r äf te aus verschiedenen Perspektiven und mit unterschiedlichen Methoden auszubilden. Digitale Inhalte wie Wissensnuggets, Videos oder auch Quizze könnten etwa vorproduziert und in den vielen internationalen Unternehmen mehrsprachig ausgerichtet werden. Der komplexen und spezialisier ten Arbeitsrealität der Führungskräfte muss mit einer komplexen und spezialisierten Führungskräfteentwicklung begegnet werden. 18 Literatur Bushardt, S.; Young, M.; Beal, B.: Understanding work passion: An important element for career success and improved quality of life. In: Journal of Organizational Psychology 18 (2018) 2, S. 23 – 29. Deuse,J.;Hirsch-Kreinsen,H.;Nöhring,F.;Wienzek, T.; Gerst, D.: Kompass Digitalisierung – eine Gestaltungshilfe für gute Arbeit. Hrsg.: IG Metall. Wiesbaden, Juni 2019. http://www.steps -pro- jekt.de/fileadmin/Templates/Steps_Projekt/ Media/20190524_Kompass_Digitalisierung_final. pdf (Link zuletzt geprüft: 04.06.2020) DiLiello, T. C.; Houghton, J. D.: Maximizing or- ganizational leadership capacity for the future: Toward amodel of self-leadership, innovation and creativity. In: Journal of Managerial Psychology 21 (2004) 4, S. 319 – 337. 8 s. Lang 2018, S. 86 ff. 9 s. VÖ von Gardner et al. 2011 10 s. VÖ von Reb et al. 2014 11 s. VÖ von Bushardt et al. 2018 12 s. VÖ von DiLiello u. Houghton 2004 13 s. VÖ von Luhmann 1989 14 s. VÖ von Korsten u. Mohr 2011 15 Infolink: www.holacracy.org/ (Link zuletzt geprüft: 04.06.2020) 16 Vorstellung Markus Stelzmann/Infolink:. www.tele-online.com/team/stelzmann-markus (Link zuletzt geprüft: 04.06.2020) 17 s. Endres u. Weibler 2019 18 s. VÖ von Schermuly et al. 2019
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy NzcyMw==