UdZPraxis 1-2019

48 UdZ Praxis P roduzierende Unternehmen stehen un- ter großem Veränderungsdruck, der durch wach- sende Produktkomplexität, steigende Kunden- anforderungen und digitale Geschäftsmodelle induziert wird (s. Schuh et al. 2017a; Schuh et al. 2017b). Vorherrschende Trends wie Industrie 4.0 und Digitalisierung müssen genutzt werden, um nicht nur die Produktion effizienter zu gestal- ten, sondern auch innovative Geschäftsmodelle zu entwickeln (Fraunhofer-Gesellschaft 2016, S. 6.). Diese gewährleisten, dass Unternehmen neue Märkte erschließen und neue Kunden ge- winnen. Die von Unternehmen in der Vergan- genheit fokussierten produktzentrierten Ge- schäftsmodelle werden durch die Digitalisierung in nutzerzentrierte Geschäftsmodelle transfor- miert (s. Lauenroth et al. 2016). Zudem ist ge- rade eine Veränderung im Verhalten der Kun- den zu beobachten, die sich zunehmend gezielt für Produkte mit höherem Leistungsumfang in Bezug auf digitale Fähigkeiten entscheiden (s. Brauckmann 2015), sodass sich die Digitalisie- rung ebenfalls in den Produkten wiederfindet. Dauerhafte Wettbewerbsfähigkeit bedarf folg- lich erweiterter digitaler Leistungen in Produk- ten. Durch ebendiese Veränderung und die Fokus- sierung digitaler Dienstleistungen hat sich insbe- sondere im Usercycle innerhalb des Produktle- benszyklus die Anzahl an Interaktionen zwischen Unternehmen und Kunden drastisch erhöht. Gleichzeitig wirken sich sowohl regulatorische Rahmenbedingungen wie beispielsweise die Ein- führung der DSGVO als auch die Sensibilisierung der Nutzer im Kontext Anonymität und Sicherheit persönlicher Daten hemmend auf die Umsetzung aus (Dumslaff u. Heimann 2018). Um folglich die aktuellen Entwicklungen umsetzen und wertschöpfend nutzen zu können, ist es für Unternehmen äußerst relevant, sich mit den The- menfeldern Datensicherheit und Nutzeranonymität konkret auseinanderzu- setzen und technologisch geeignete Lösungen zu finden. Die aufkommende Distributed-Ledger-Technologie (DLT), häufig als „Blockchain“ betitelt, adres- siert hierbei gezielt diese Problemfelder. So können durch den Einsatz vonDis- tributed-Ledger-Technologien die Hemmnisse im Kontext der Datenhaltung definiert und gezielt beseitigt werden. Eng mit der Entwicklung der Distributed-Ledger-Technologien verbun- den ist die Anwendung derselben mittels Smart-Contract-Plattformen. Smart Contracts erweitern die weitläufig bekannte Funktionalität der sicheren Datenhaltung von digitaler Währung von Distributed-Ledger- Technologien um die Funktionalität, den selbsterstellten Programmcode si- cher und dezentral ausführen zu lassen. Hierdurch erweitern sich die Anwen- dungsmöglichkeiten von Distributed-Ledger-Technologien um ein Vielfaches. Komplexe Vorgänge, wie beispielsweise die automatisierte Abrechnung von Geldbeträgen auf Grundlage von in der Distributed-Ledger-Technologie ge- speicherten Kalkulationsgrundlagen werden ermöglicht. Ein einfaches Bei- spiel hierfür stellt der Usercycle eines Elektrofahrzeugs dar. So können die Ladevorgänge über einen Smart Contract sicher und verifiziert automatisiert abgerechnet werden, ohne hierbei die Bewegungsdaten der Nutzer offen speichern zu müssen. Darüber hinaus können über Smart-Contract-Plattfor- men unterschiedliche Akteure innerhalb eines Wertschöpfungsnetzwerks eingebundenwerden. So kann der Anwendungsfall umVersicherer, Werkstät- ten, Produktionsstätten undHändler erweitertwerden. Die Plattform vinchain stellt hierfür ein Beispiel dar, wie eine dezentrale Fahrzeughistorie mittels Smart Contracts abgebildet werden kann. Nachfolgend sollen daher am Bei- spiel vinchain die Funktionalitäten eines Smart Contracts aufgezeigt werden. Abschließend werden hierfür die Einsatzmöglichkeiten für KMU aufgezeigt. vinchain ist eine DLT-basierte Plattform, die alle Lebenszyklus-Informatio- nen zu Fahrzeugen speichert. Sie löst das Problem der Informationsasym- metrie auf dem Gebrauchtwagenmarkt, indem sie ein dezentralisiertes, unveränderbares, transparentes, sicheres und zuverlässiges Repository der Fahrzeughistorie anbietet. Aktuell werden auf dem Gebrauchtwagenmarkt immer mehr Autos ver- kauft. Dabei will jeder Käufer valide Informationen über den Betriebszu- stand des Fahrzeugs wissen, um sicherzustellen, dass das Auto in einem guten Zustand ist. Zurzeit gibt es keine gemeinsame Datenbank von Fahr- zeugen, sondern lediglich Geschäftsdatenbanken, die Informationen zen- tral speichern. vinchain verändert mithilfe von DLT-basierten Smart Con- tracts den Weltgebrauchtwagenmarkt, indem sie jedem Marktteilnehmer gleichen Zugang zu sicheren und validen Informationen anbietet. Teilnehmer der Automobilindustrie wie Hersteller, Händler, Versicherungs- gesellschaften, Banken, Leasingfirmen und Reparaturwerkstätten sollen in ein gemeinsames Wirtschaftsökosystem zum Austausch relevanter Informationen zusammengebracht werden. Jedes Fahrzeug erhält einen „Blockchain-Pass“,

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