UdZPraxis 1-2019
8 UdZ Praxis I ndustrie 4.0 ist in den Bilanzen deutscher Industrieunterneh- men aktuell noch nicht angekommen. Seit der Einführung des Begriffs „Industrie 4.0“, als Bezeichnung für die massenhafte Verbindung von Informations- und Kommunikationstechnolo- gien mit der industriellen Produktion, wird das Thema national wie international in Wirtschaft und Forschung in zahlreichen Ini- tiativen und Projekten behandelt. Enormewirtschaftliche Poten- ziale wurden und werden in diversen Studien beziffert, um den revolutionären Charakter dieser Entwicklung zu unterstreichen. Tatsächlich lässt sich weder auf volkswirtschaftlicher noch auf unternehmensspezifischer Ebene ein signifikanter Bei- trag von Industrie 4.0 nachweisen. Die Wachstumsraten des deutschen BIPs verharren in den vergangenen Jahren kons- tant auf einem durchschnittlichen Niveau. Digitale Umsätze sind in den Geschäftsberichten deutscher Unternehmen und insbesondere in der produzierenden Industrie praktisch nicht zu finden. Dies belegt sowohl eine Accenture-Studie 1 unter den Top-500-Industrieunternehmen als auch eine FIR-eigene Untersuchung 2 der Top-25-Maschinen- und Anlagenbauer. Die sich vermehrt bietenden technologischen Möglichkeiten werden vor allem zur internen Optimierung bestehender Pro- zesse oder maximal zur Ergänzung bestehender Geschäfts- modelle genutzt. Trotz aller Marketingbemühungen des deut- schen Maschinen- und Anlagenbaus, sich als digitale Vorreiter zu positionieren, verkauft die deutsche Industrie nach wie vor überwiegend Produkte, Maschinen, Anlagen sowie klassische After-Sales-Services nach dem Prinzip „Geld für Hardware“ bzw. „Geld für Technikerstunde“. Eine echte Innovation oder gar Transformation dieser klassischen Geschäftsmodelle ist bisher nicht erkennbar. Um der Antwort auf die Frage nachzugehen, wie die technolo- gischen Möglichkeiten von Industrie 4.0 in nachhaltige Wettbe- werbsvorteile münden können, sei hierzu zunächst geklärt, was Industrie 4.0 ausmacht: Durch die bereits erwähnte Durchdrin- gungder physischenWeltmit IKT-Technologien stehenvermehrt undmassenhaft Daten zur Verfügung. ImWesentlichen sind die- seDaten der Rohstoff für neue Leistungen, indemsie uns helfen, die Zusammenhänge in der realen Welt immer besser quantita- tiv abzubilden und zu verstehen. Im Industrie-4.0-Kontext wird hierfür der Begriff des digitalen Schattens verwendet. Auf Basis dieser Daten lassen sich Logistikketten optimieren, Maschinen gezielter einstellen oder Ausfälle vorhersagen. Diese neuen Möglichkeiten des permanenten Lernens und Verbesserns gilt es, in neue Geschäftsmodelle zu übersetzen. Ziel dieser Form von Geschäftsmodellen ist es nicht mehr, dem Kunden einzelne Produkte oder Services zu verkaufen. Vielmehr geht es darum, ihm den Zugang zu einer sich stän- Bild 1: Status quo des Digitalgeschäfts deutscher Unternehmen Nur 3 % der Top-500- Unternehmen verfolgen ein digitales Geschäft 2 56 % der Unternehmen haben keinen CDO 3 76 % der Unternehmen haben keine Venture-Capital-Abteilung 3 24 % der Unternehmen haben keinen Inkubator 3 56 % der Unternehmen haben keine digitalen Spin-offs 3 76 % der Unternehmen veröffentlichen keine digitalen Geschäftszahlen 3 1 s. Accenture 2017, S. 15 f. 2 Quelle vertraulich, Ergebnisse liegen den Autoren vor. 2 s. Wimmer 2018 3 s. Riemensperger et al. 2017
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