UdZPraxis 1-2019
9 UdZ Praxis dig verbessernden Leistung zu bieten. Erhält der Kunde diesen Zugang gegen regelmäßige Zahlungen, spricht man von einem Subscription- oder Abo-Geschäftsmodell. Die Grundprinzipi- en, nach denen diese Geschäftsmodelle aufgebaut sind, sind dabei keineswegs neu. Für Bücher oder Konzerte existierten wiederkehrende Zahlungen für den Zugang zu einer Leistung bereits im 18. Jahrhundert. Statt auf eine Anzahl von punk- tuellen Transaktionen sind diese Zahlungen auf langfristige Kunden-Lieferanten-Beziehungen ausgelegt. Für die Mone- tarisierung von Industrie 4.0 gewinnen diese Prinzipien eine besondere Bedeutung, wenn man sie mit den heutigen tech- nologischen Möglichkeiten verbindet. Diese erlauben, mit dem digitalen Schatten zu einem einzigartigen Kundenverständnis zu gelangen und hierauf aufbauend Leistungen durch hochfre- quente digitale Updates permanent zu verbessern. Branchen aus dem Consumer-Bereich befinden sich bereits mitten in der Transformation aus der „alten“ produktorientier- ten Welt hinein in die neue Welt der Subscription-Geschäfts- modelle. Aufgrund massenhaft verfügbarer Daten und einer radikalen Kundenorientierung schaffen diese Geschäftsmo- delle langfristige und dynamische Kundenbeziehungen, da sie auf einem nie dagewesenen Wissen über den Kunden und auf Verständnis ihm gegenüber basieren. Anbieter wie Netflix oder Spotify gestatten eine vollkommen neue Form des Konsums von Filmen, Serien und Musik. Anstatt zu versuchen, einzelne Filme, Serien oder CDs dem Kunden über einen definierten Kanal (Kino, TV-Sender, Musikgeschäft) oder ein definiertes Medium zur Verfügung zu stellen, liefern die Anbieter dem Kunden ihre Leistung unabhängig von Zeit, Ort und Medium. ImGegensatz zu etablierten Anbietern (Filmproduktionsgesell- schaften, TV-Sendern), die die Reaktion auf ihr Angebot imbes- ten Fall aus Fragebogenstudien oder Verkaufszahlen ablesen können, erhalten Anbieter wie Netflix ein vielfach detaillierte- res Verständnis des Kundenverhaltens und der Bedürfnisse des Kunden. Jeder Kunde ist zu jedem Zeitpunkt der Nutzung be- obachtbar und damit analysierbar. Dabei nutzen die Anbieter diese Informationen, um ihre Leistung kontinuierlich und vor allem schnell zu verbessern und noch genauer auf den Kun- den zuzuschneiden. Über das kontinuierliche Beobachten und Verstehen der Kundenbedürfnisse ist es Netflix gelungen, von einem Online-DVD-Verleiher zum erfolgreichsten Produzenten von Filmen und Serien zu werden. Diese Transformation lässt sich ebenfalls für Branchen beob- achten, in denen das physische Produkt einen wesentlichen Bestandteil der Leistung ausmacht. Das Konzept „Power by the hour“ von Rolls-Royce ist seit vielen Jahren am Markt etabliert. Hersteller von Wärmetechnik wie Vaillant oder Viessmann gehen dazu über, ihren Kunden Wärmeleistung anstelle von Heizkörpern zu verkaufen. Nahezu jeder große Automobilhersteller experimentiert aktuell mit Subscripti- on-Geschäftsmodellen 4 . In der Automobilindustrie haben sich in den vergangenen 15 Jahren bereits Leasing-Modelle etabliert; rund ein Drittel aller Neufahrzeuge werden über Leasing-Verträge finanziert (bei gewerblichen Kunden sind es fast 80 Prozent) 5 . Bei einem Leasing-Vertrag handelt es sich jedoch nicht um ein Subscription-Geschäftsmodell. Zwar wird aus Kunden- sicht eine hohe Anfangsinvestition in kleinere Zahlungen auf einen Zeitraum verteilt, am Geschäftsmodell des Auto- mobilherstellers ändert dies jedoch kaum etwas. Der Kunde trifft im Wesentlichen immer noch alle drei bis sieben Jahre eine Kaufentscheidung für ein bestimmtes Auto. Über die tatsächlichen Nutzungsbedarfe bzw. die Nutzung seiner Fahrzeuge durch den Kunden erfährt der Hersteller kaum etwas. Die neuen Subscription-Geschäftsmodelle hingegen ermöglichen dem Kunden gegen eine monatliche Zahlung Zugriff auf eine ganze Flotte an Fahrzeugen, teilweise mit unbegrenzten Wechselmöglichkeiten zwischen den einzel- nen Fahrzeugen. Zulassung, Wartung oder Service sind im Angebot enthalten. Der Anbieter hat seinerseits jederzeit das Recht, das Fahrzeug zwecks Service oder aus einem be- liebigen Grund auszutauschen. Die Fahrzeuge, welche sich im Besitz des Anbieters bzw. Herstellers befinden, sind mit einer zentralen Plattform des Herstellers vernetzt. Das Nut- zungsverhalten des Kunden wird dadurch erstmals wirklich transparent. Ebenso dient der nun permanent offene digita- le Kanal dazu, dem Kunden neue Leistungen rund um seine Mobilitätsbedürfnisse anzubieten. Subscription-Geschäftsmodelle stellen den Kundennutzen konsequent in den Mittelpunkt der Betrachtung. Sie sind dann besonders effektiv, wenn dem Kunden nicht nur der Zugang zu einer Leistung, beispielweise die Verfügbarkeit einer Maschine, gewährt wird, sondern der Anbieter darü- ber hinaus eine permanente Leistungssteigerung erreicht. Erfolgreiche Anbieter im Maschinen- und Anlagenbau ha- ben diese Entwicklung bereits vorgemacht. Das Unter- nehmen Boge , ein Hersteller von Druckluftkompressoren, bietet seinen Kunden gegen eine tägliche Gebühr den Zugang zu einem Optimierungstool. Dieses analysiert das Verhalten der Kompressoren und liefert Erkenntnisse zur Leistungs- bzw. Effizienzsteigerung. Für den Kunden ist die permanente Optimierung aufgrund der verhältnismäßig 4 s. Hyatt 2018 5 s. dpa 2017
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy NzcyMw==