UdZ / Issue 01.22

ISSN2748-9779 / www.fir.rwth-aachen.de UdZ The Data-driven Enterprise Issue 01.22 / Agil und nutzerzentriert: Auswahl von Business- Software AgileandUser-Centric: Selectionof Business Software » page 8 NeueWege mit Smarten Produkten – Vertriebsstrategie & Erlösmanagement NewPathsWith Smart Products – Sales Strategy & Revenue Management » page 32

FIR e. V. an der RWTH Aachen Campus-Boulevard 55 52074 Aachen Marion Riemer Telefon: +49 241 47705-155 E-Mail: firev@fir.rwth-aachen.de www.fir.rwth-aachen.de Jetzt Mitglied werden! FIR e.V.-Forum Neu 2022 Die exklusive Kommunikations- und Informationsplattform des FIR e. V. – jetzt registrieren: www.fir-forum.de FIR e.V. Fortschritt braucht Netzwerke. Sie schaffen Synergien, eröffnen neue Geschäftschancen, bereiten den Weg in die Zukunft. Im Netzwerk des FIR e. V. profitieren Sie von der Motivation einer breit aufgestellten Community aus Industrie, Forschung, Politik und Verbänden, vom interdisziplinären Austausch, dem Zugang zu Expertenwissen sowie vielen Exklusivleistungen. Halten Sie aktuelle Forschungsergebnisse und Trends im Blick, lernen Sie von den Herausforderungen und Lösungen der Mitglieder, nutzen Sie Vergünstigungen und Angebote. Diskutieren Sie im neuen FIR e. V.-Forum zu Themen der Industrie 4.0. Erfahren Sie, was die Forschung heute und die Wirtschaft in Zukunft bewegt. Verbindung mit Mehrwert firev.fir.de advertisement

Cloud-Computing, Künstliche Intelligenz (KI) und das Internet der Dinge (IoT) – die Digitalisierung, begleitet von einem rasanten technologischenFortschrittsowieeineroffenenZusammenarbeit, verändern den Innovationsprozess. Um die Herausforderungen des digitalen Zeitalters zumeisternunddigitaleReife zu erreichen, ist sowohl auf menschlicher als auch auf technologischer Ebene eine Reihe neuer Fähigkeiten erforderlich. Aus über 20 Jahren Erfahrung in der Leitung von großen Transformationsprojekten weiß ich, dass die Industrie der akademischen Forschung in diesem Punkt oft voraus ist. Das entspricht der Natur zukunftsweisender Innovationen. Ich bin aber überzeugt, dass die anwendungsnahe Forschung die Lücke zwischenbeidenWelten schließt. Sie ergänzt die Praxis, indem sie Erkenntnisse durch empirische Beweise untermauert und somitmehr Nachdruck vertreten kann. Ich bin stolz darauf, zusammen mit demFIR an der RWTH Aachen undderBusinessAnalytics Initiative (BAI) ander NC StateUniversity dazu beizutragen, die oben genannte Lücke zwischen akademischer Forschung und industrieller Anwendung zu schließen. Unsere langjährige internationale Zusammenarbeit ermöglichte es, den Status der digitalen Transformation in der Industrie umfassend zu untersuchen. Dazu befragten wir weltweit agierende Unternehmen und führten Interviewsmit digitalen Vorreitern aus Deutschland und den USA. Die Ergebnisse unserer Arbeit haben wir in demBuch „Trust. TheWinning Formula for Digital Leaders“ veröffentlicht sowie auf internationalen Konferenzen, in Workshops, auf Seminaren und in einem Podcast präsentiert. Weitere Informationen und wertvolle Insights finden Sie auf unserer Website www.patternsofdigitization.com. Unternehmen brauchen digitale Vorreiter. Sie stärken das Vertrauen ihrer Organisationen in die oft riskanten und disruptiven Veränderungsprozesse. Kürzlich haben wir gezeigt, dass Füh- rungskräftedigitalreiferUnternehmendenMenschenindenMittel- punkt stellen und Vertrauen über bestimmte Verhaltensweisen sowie Eigenschaften aufbauen, die messbar sind. Ein von uns ent- wickeltes Leadership-Assessment-Tool bietet Führungskräften die Möglicheit, ihr Verhalten einzuschätzen und stetig zu verbessern. Das Selbstbewertungstool beinhaltet alle relevanten Dimensionen vertrauensvoller Führungund ist einwichtiger Schritt auf demWeg zum Aufbau digitaler Führungskompetenzen. Es wird Unternehmen dabei unterstützen, ihre Talente zu fördern und die Managementteams aufzubauen, die für eine erfolgreiche und verantwortungsvolle digitale Transformation erforderlich sind. Die nun schon viele Jahre dauernde Zusammenarbeit mit demFIR betrachte ich als Ehre und großes Privileg. Gemeinsam tauschen wir Ideen und Perspektiven aus, erarbeiten Erkenntnisse und entwickelnWerkzeuge sowie Lösungen, um Industrie und Forschung zusammenzuführen. Ich freue mich auf die weitere Zusammenarbeit, mit der wir unsere Rolle als Vordenker weiter festigen und den Brückenschlag zwischen Forschung und Industrie vorantreiben. Es grüßt Sie herzlich Foreword Digital innovation is being reshaped by rapid advances in technology and open collaboration: Cloud, artificial intelligence (AI), internet of things (IoT), and more. Digital leadership demands a certain set of new qualities – both human traits and technical skills – to meet the challenges of the digital age. However, a big gap exists in this space. The industry is often ahead of academic research due to the nature of cutting-edge innovation. I have seen this gap first-hand being in the industry for 20+ years leading large-scale transformations and my recent interest in research. I believe that research complements the practice because it enables you to assert things more forcefully, backed by empirical evidence. I am so proud to have partnered with FIR at RWTH Aachen and Business Analytics Initiative (BAI) at NC State University to bridge the gap between academic research and industry application. This international collaboration has made it possible for us to study digital transformation through an extensive survey of global companies as well as in-depth interviews with successful digital leaders from both Germany and the US. We published our work as a book, Trust: Winning Formula for Digital Leaders; and as research papers in reputed journals. We have also presented at international conferences, workshops, seminars, and podcasts. You can read all about this important body of work at www.patternsofdigitization.com. Organizations need digital leaders. They increase the confidence of their organizations behind these often risky and disruptive transitions. Recently, we have shown that successful companies have digital leaders who build trust through certain human dimensions that can be measured. We developed and validated a digital leadership scale and are building a self-assessment tool for leaders to assess their readiness to accelerate digital initiatives. A self-assessment tool is a step in the right direction to build digital leadership capabilities. This will help organizations develop a digitalready talent pool and management teams necessary for leading successful and responsible digital transformation. It's an honor and a privilege working with FIR team over the last several years. Together, we exchange ideas and perspectives, develop insights, tools, and solutions to connect industry and research. I look forward to continued collaboration in providing thought leadership and building bridges between research and industry. Sincerely, Grußwort Haroon Abbu VP, Digital, Data & Analytics, Bell & Howell, USA

Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Wirt. Ing. Günther Schuh Direktor FIR e. V. an der RWTH Aachen Prof. Dr.-Ing. Volker Stich Geschäftsführer FIR e. V. an der RWTH Aachen die erste UdZ des Jahres 2022 steht an, und immer noch bestimmen Krisen die News und unseren Alltag. Die Corona- Fallzahlen sind weiter hoch – und ein neues großes Problem überschattet die Gesellschaft: der Krieg gegen die Ukraine. Nebendenhumanitärenund friedenspolitischen sindes letztlich auch die wirtschaftlichen Folgen, die uns umtreiben. In einer solch krisengeschüttelten, instabilen Welt braucht es noch stärker die Tugenden, die sich oft bewährt haben: Resilienz, smarte Innovation in der Lösungsentwicklung, Agilität, modernes Handeln für eine menschlichere und umweltfreundlichere Welt, die letztlich auch den wirtschaft- lichen Erfolg sichert. Dieses Terrain, auf dem sich das FIR schon lange bewährt, ist auch in diesem Jahr unser thematisches Spielfeld und zu allen Aspekten stellen wir Ihnen in diesem Heft unsere Aktivitäten in Industrie und Forschung vor. Im Leitartikel (ab S. 8) zeigen wir, wie Sie agile Methoden sinnvoll einsetzen können, um die passende Business-Software unter Einbindung Ihrer Belegschaft auswählen und implementieren zu können. Inspiration für die Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle mit Smarten Produkten finden Sie ab S. 32. Sie interessieren sich für Webcrawling und Natural-Language-Processing (NLP) und wie Sie diese Anwendungen gezielt für Ihren Geschäftserfolg nutzen können? Lesen Sie zum Projekt ‚TechRad‘, wie man den Aufbau der Technologie-Radare mittels Webcrawling und Natural-Language- Processing (NLP) automatisieren kann (ab S. 64). Künstliche Intelligenz und Speditionen – diese Ihnen auf den ersten Blick vielleicht nicht als Kombination geläufigen Bereiche vereinen wir im Forschungsprojekt ‚STAFFEL‘ und möchten mit den Ergebnissen künftig sowohl die logistische Planung verbessern als auch den Fahrer:innen mehr digitale Unterstützung bieten (S. 56). Wissenstransfer von der Forschung in die Praxis – langjährige Leser:innen wissen es – ist eines der Hauptanliegen des FIR. Wie mandigitaleTransformationenangehtunddenimmateriellenWert von Daten, Informationen & Co. aus- und abschöpft, zeigt Ihnen unser Artikel ‚Future Data Assets‘ ab S. 73. Und auch das Thema Liebe Leserinnen, liebe Leser, Umwelt hat uns wieder intensiv beschäftigt: Ab S. 82 lesen Sie, wie wir im Projekt ‚mMEU‘ ein datenbasiertes, prototypisches Modell entwickelt konnten, mit dem Mikroplastikemissionen lokalisiert werden können. Anwendungsfälle für die Wirtschaft wurden identifiziert und auf ihre Rentabilität hin geprüft. Wir alle wissen: Nicht nur Technik entwickelt sich weiter, auch die Menschen tun dies. Und so ist die moderne Arbeitswelt ein Thema, das uns sehr am Herzen liegt und das wir schon seit unseren Gründungsjahren stetig vorantreiben. Mit Roman Senderek als Leiter der neuen Business- Development-Group ‚Smart Work‘ tragen wir der Relevanz des Themas Rechnung. Ab S. 40 erfahren Sie, was wirklich unter ‚Smart Work‘ zu verstehen ist, was unser neuer Bereich schon geleistet hat, welche Themen jetzt bearbeitet werden und wie modernes Arbeiten in einer zunehmend digitalen Arbeitswelt gelingt. Besonders freuen wir uns auch über die Entwicklungen in unseremFIR e. V. Zum Jahresanfang starteten wir das FIR-e. V.-Forum (s. S. 19), die neue Online-Kommunikations- und Informations- plattform für unsere Mitglieder und die Gremien des FIR e. V. Im Präsidium des FIR e. V. heißen wir Jan-Peter Meyer-Kahlen, LeiterEricsson ICT Development Center Eurolab, und Professor Paul Mugge, Innovation Professor am Poole College of Management, North Carolina State University, als neue Mitglieder herzlich willkommen. Professor Mugge ist in dieser Ausgabe mit dem Beitrag „DigitaleTransformation: Schließungder LückenzwischenTheorie und Praxis“ (ab S. 22) vertreten, der die Aufgaben und Potenziale ander Schnittstelle zwischen Industrie und Forschung aufzeigt. Sie sehen, statt zu verzagen, konzentrieren wir uns darauf, weiter Lösungen zu entwickeln, die helfen, Herausforder- ungen erfolgreich zu begegnen und wirtschaftliche Entwicklung zu stärken. Damit wir gemeinsammit Zuversicht und Klugheit unsere Zukunft gestalten können! Begleiten Sie uns auch in diesem Jahr auf unseremWeg. Do you have any questions or suggestions about our magazine or would you like more information? Then please send us an email: redaktion@fir.rwth-aachen.de Learn even more about the FIR & visit us on our website at: » fir.rwth-aachen.de Or sign up for one of our FIR newsletters: »newsletter-anmeldung.fir.de Herzlichst Ihre

Dear Readers, The first UdZ issue of 2022 is now available, at a time when crises continue to dominate the news and our daily lives. The COVID-19 infection rates remain high, and a new major problem is looming large over society: the war against Ukraine. In addition to the humanitarian and political implications, it is ultimately also the economic consequences that are of concern to us. In such a crisis-ridden, unstable world, there is an even greater need for the virtues that have often proven their worth: Resilience, problem solving through smart innovation, agility, and forward-looking action for a more humane and environmentally friendly world, which ultimately also ensures economic success. This terrain, which FIR has successfully navigated for many years, is also our playing field this year, and we present a wide range of our current activities in industry and research in this issue. In the lead article (p. 8), we show you how to use agile methods to select and implement the right business software, involving your employees in the process. Furthermore, we provide you with inspiration to develop digital business models with smart products (p. 32). And are you interested in web crawling and natural language processing (NLP) and how you can use these methods to enhance your business success? Then learn more about the ‘TechRad’ project, which illustrates how to automate the creation of technology radars using web crawling and NLP (p. 64). Artificial intelligence and freight forwarding – two areas which at first glance do not have much to do with each other – are combined to great effect in the ‘STAFFEL’ research project, which aims to improve logistics planning and, in the near future, provide drivers with digital support (p. 56). Transferring knowledge from research to practice – as our long-time readers are wellaware of – is one of FIR’s key concerns. How to approach digital transformation and exploit the intangible value of data and information is shown in our article on ‘Future Data Assets’ (p. 73). And, as in the past, we were busy seeking to enhance environmental sustainability: Starting on page 82, you can read how the ‘mMEU’ project succeeded in developing a data-based prototype model that can be used to localize microplastics emissions. The project team also identified use cases for the economy and tested them for their profitability. As we all know too well: Not only does technology evolve, people do so as well. And the modern world of work is a topic that is very close to our hearts and one that we have been steadily advancing since our founding years. Led by Roman Senderek as head of the newly established Business Development Group ‘Smart Work’, we are acknowledging the major relevance of the topic. Starting on page 40, you will find out what we mean by “Smart Work,” what our new unit has already achieved, which topics are currently being addressed, and how modern work practices can succeed in an increasingly digital working world. We are also particularly pleased about recent developments at FIR e. V. At the beginning of the year, we launched the FIR e. V. Forum (p. 19), the new online communication and information platform for our members and for the committees of FIR e. V. We would like to welcome Jan-Peter Meyer-Kahlen, Head of Ericsson ICT Development Center Eurolab, and Paul Mugge, Innovation Professor at Poole College of Management, North Carolina State University, as new members of the Board of Directors of FIR e. V. Professor Mugge is featured in this issue with the article “Closing the Gaps Between the Practice and Theory of Digital transformation” (p. 22), which highlights the tasks and opportunities at the interface between industry and research. As you can see, instead of losing heart, we are continuing to develop solutions that help industry to successfully meet challenges and strengthen economic development. Our goal is to shape the future together with prudence and optimism! Join us again this year on our journey. Follow us: facebook.fir.de · instagram.fir.de · linkedin.fir.de · twitter.fir.de · youtube.fir.de · xing.fir.de Folgen Sie uns

Mit agilen Methoden nutzerzentriert Business-Software auswählen User-Centric Selection of Business Software with Agile Methods Dieser Beitrag zeigt, wie agile Methoden schon in der Auswahl genutzt werden, um einerseits den Einstieg in die Implementierung zu erleichtern und andererseits aktives, nutzerzentriertes Change-Management von der Auswahl bis zum Einsatz der Software ermöglichen. Sie sind daher von Beginn an ein wichtiger Baustein zur Sicherung des Projekterfolgs. This article shows how agile methods are used starting as early as the selection stage – on one hand to facilitate the start of the implementation and on the other hand to enable active, user-centric change management from software selection to deployment. Thus, they are an important building block for ensuring the success of the project right from the start. FOCUS– BEST PRACTICES 18 FIR NEWS 54 EVENTS 62 FIR PUBLICATIONS 8 Mit agilen Methoden nutzerzentriert Business-Software auswählen User-Centric Selection of Business Software with Agile Methods 22 DigitaleTransformation: Schließung der Lücken zwischen Praxis und Theorie Closing the Gaps Between the Practice and Theory of Digital Transformation 80 RECOMMENDED READING 90 NEWS FROMTHE RWTH AACHEN CAMPUS 8 IMPRINT UdZ – The Data-driven Enterprise ISSN 2748-9779 FIR e. V. an der RWTHAachen | Campus-Boulevard 55 | 52074 Aachen Redaktion: Birgit Merx, FIR FIR-Redaktionsteam: Ruben Conrad | Rafael Götzen | Dino Hardjosuwito | Lennard Holst | Maria Linnartz | Julia Quack van Wersch | Roman Senderek | Simone Suchan Design/Satz: Julia Quack van Wersch, FIR FIR-Autoren: cmFlorian Clemens | fnKira Frings | gr3 Florian Groen | hrClara Herkenrath | htLennard Holst | kraAndreas Kraut | lc Stefan Leachu | vs John von Stamm 32 NeueWege mit Smarten Produkten – Vertriebsstrategie & Erlösmanagement New Paths with Smart Products – Sales Strategy& Revenue Management 40 Smart Work – Innovative Arbeits- und Lernwelten gestalten Smart Work – Creating InnovativeWorking and Learning Environments Bildnachweise: Titelbild, S. 6: © greenbutterfly – stock.adobe.com; S. 8, S. 11: © SFIO CRACHO – stock.adobe.com; S. 22: © turbomotion046 – stock.adobe.com; S. 32: © oatawa – stock.adobe.com; S. 40 (Collage): © metamorworks – stock.adobe.com; © Framestock – stock.adobe.com; © Blue Planet Studio – stock.adobe.com; S. 43: © Framestock – stock.adobe.com; S. 44: © metamorworks – stock.adobe.com; S. 47: © Blue Planet Studio – stock.adobe.com; S. 54: © Tierney – stock.adobe.com; S. 55: © peshkov – stock.adobe.com; S. 56: © hadrian – ifeelstock – stock.adobe.com; S. 64/65: © WrightStudio – stock.adobe.com; S. 73; 76: © Maksim Kabakou – stock.adobe.com; S. 84: © Mikhail Tolstoy – stock.adobe.com; S. 84: © Mikhail Tolstoy – stock.adobe.com 6 / UdZ 01.22

24 18 3540 SmartWork– Innovative Arbeits- und Lernwelten gestalten Creating InnovativeWorking and Learning Environments Thematische Schwerpunkte der BDG SmartWork sind die Gestaltung innovativer Lehr- und Lernprozesse sowie deren Einbettung in lern- und gesundheitsförderliche Arbeitsumgebungen und -abläufe. Die BDG SmartWork desFIRwidmet sich im Kontext derGestaltung und Verzahnung von Arbeit und Lernen sieben verschiedenenFeldern. The thematic focus of the BDG SmartWork at FIR is the design of innovative teaching and learning processes and their embedding in work environments and processes that promote learning and health.The BDG SmartWork is dedicated to seven different fields in the context of the design and interlinking of work and learning. 64 84 56 Entwicklung einer KI-gestützten Plattform für datenbasierten Staffelverkehr Development of an AI-Supported Platform for Data-Based RelayTraffic 64 Unterstützung des Technologiemanagements in Unternehmen durch Natural-Language- Processing (NLP) Supporting EnterpriseTechnology Management with Natural Language TechRad Im Artikel werden die Erkenntnisse aus der Entwicklung in Form eines generischen Leitfadens zur Entwicklung autonomer Technologieradare zusammengefasst. The present article summarizes the insights from a development project in the form of a generic guide for the development of autonomous technology radars. mMEU Im Projekt ‚mMEU‘ wurde über einen datengetriebenen Ansatz der Frage nachgegangen, wo und wie viel Mikro- plastik im städtischen Raum im Mobilitätskontext anfällt. In the mMEU project a data-driven approach was used to investigate where and how much microplastics are generated in urban areas in a mobility context. SPECTRUM – APPLIED RESEARCH 73 Datenbewertung und -berichterstattung – Von der Forschung in die Praxis Data Valuation and Reporting – from Research to Application 84 Mobilitätsbedingte Mikroplastikemissionen in der Umwelt Mobility-Related Microplastic Emissions in the Environment UdZ 01.22 / 7

FOCUS– BEST PRACTICES 8 / UdZ 01.22

UdZ 01.22 / 9 Mit agilen Methoden nutzerzentriert Business- Software auswählen Einbindung der Mitarbeitenden durch User-Storys in Auswahlprojekten User-Centric Selection of Business Software with Agile Methods Involvement of EmployeesThrough User Stories in Selection Projects Im Rahmen der digitalen Transformation und der damit verbundenen Gestaltung digitaler und durchgängiger Prozesse müssen Unternehmen häufig neue Business-Software auswählen und beschaffen. Sie modernisieren hierbei ihre in die Jahre gekommene Software oder führen eine zusätzliche ein. Häufig erfolgen Auswahl und Beschaffung mittels klassischer Projektmanagementmethoden, die im Kontrast zu den agilen Methoden während der Implementierung stehen. Dieser Beitrag zeigt, wie agile Methoden schon in der Auswahl genutzt werden, um einerseits den Einstieg in die Implementierung zu erleichtern und andererseits aktives, nutzerzentriertes Change-Management von der Auswahl bis zum Einsatz der Software ermöglichen. Sie sind daher von Beginn an ein wichtiger Baustein zur Sicherung des Projekterfolgs. > As part of corporate digital transformation efforts, which include the design of digital and end-to-end processes, companies often have to select and procure new business software. Therefore, they either modernize their outdated or introduce additional or new software. Often, selection and procurement are carried out using traditional project management methods, which are different from agile methods during implementation. This article shows how agile methods are used starting as early as the selection stage – on one hand to facilitate the start of the implementation and on the other hand to enable active, user-centric change management from software selection to deployment. Thus, they are an important building block for ensuring the success of the project right from the start. >

FOCUS– BEST PRACTICES 10/ UdZ 01.22 Im Zuge der digitalen Transformation setzen sich viele Unternehmen sehr intensiv mit der IT-Unterstützung ihrer Geschäftsprozesse auseinander. Hierbei fallen ihnen häufig manuelle Prozessschritte, papierbasierte Dokumentationen sowie manuelle Abstimmungen an Prozess- und Abteilungsschnitt-stellen auf – Medienbrüche sind an der Tagesordnung. Digitalisierte und erfolgreiche Unternehmen setzen in ihren Prozessen auf durchgängige Business-Software-Lösungen, die sie durch ihre Prozesse führen. Bei der Betrachtung des Zusammenspiels der verschiedenen eingesetzten Business-Software-Lösungen stellen Unternehmen meist den Bedarf fest, bestehende Lösungen zu erneuern oder neue Software zu integrieren, um ihre Prozesse optimal digitalisieren zu können. In beiden Bedarfsfällen steht das Unternehmen vor der Herausforderung, die passende Business-Software zu finden und zu integrieren. Diese Projekte sind in der Regel so ressourcenintensiv wie risikobehaftet und stellen oft Einmalprojekte dar. Die Projektverantwortlichen müssen häufig Entscheidungen unter Unsicherheiten treffen. Um die Risiken, aber auch die Aufwände, besser zu überwachen und steuern zu können, haben sich verschiedene Vorgehensmodelle zur Auswahl und Beschaffung etabliert. Unternehmen können hierbei auf prozessuale, organisatorische und funktionale Bausteine der Vorgehensmodelle zurückgreifen, um die Komplexität der Softwareauswahl auf das notwendige, handhabbare Maß zu reduzieren. Klassische Vorgehensmodelle setzen heute auf sequenzielle Auswahlprozesse, was gleichzeitig die verwendeten Methoden prägt. Lasten- und Pflichtenhefte sind dabei zentrale methodische Bestandteile. Dabei eignen sich die Lastenhefte in Auswahlprojekten gut, um Funktionen des Systems und die Anforderungen des Unternehmens zu dokumentieren. Sie bilden die ideale Grundlage für die Vertragsverhandlungen zwischen den Anbietern und den beauftragenden Unternehmen. Für eine gute Strukturierung erfordern sie ein hohes Maß an Vorkenntnis über die Typen der Anwendungssysteme und sind nur schwer aus Nutzer- und Prozesssicht formulierbar. Daher hat das FIR an der RWTH Aacheneine Methode entwickelt, die die Methode der User-Storys aus dem agilen Projektmanagement mit den klassischen Lastenheften vereint. Im Folgenden werden sowohl die Methode und die gewonnenen Erfahrungen als auch ein Praxisbeispiel beschrieben, in dem die Methodik erfolgreich angewendet wurde. Softwareauswahlprojekte zeichnen sich häufig durch eine ausgesprochene Zeit- und Ressourcenknappheit aus. In den Projekten sind meist klare Deadlines definiert, wann die Systeme „livegeschaltet“ werden. Dadurch definieren sich in klassischen Projekten die vorausgehenden Meilensteine für die einzelnen Phasen. Die Ressourcenknappheit macht In the course of digital transformation, many companies take a very close look at the IT support for their business processes. What they often find is manual process steps, paper-based documentation, and manual coordination at process and department interfaces – in short, lack of seamless integration and interoperability. Successful, digitally transformedcompanies relyonend-to-endbusiness software solutions to guide them through their processes. When considering the interaction of the various business software solutions in use, companies usually identify the need to modernize existing solutions or integrate new software in order to be able to optimally digitalize their processes. For both requirements, the company faces the challenge of finding and integrating appropriate business software. These typically one-off projects are usually as resourceintensive as they are risky. Project managers often have to make decisions under uncertainty. In order to better monitor and control the risks, but also the efforts, various process models for selection and procurement processes have become established. Enterprises can draw on procedural, organizational and functional components of the process models in order to reduce the complexity of software selection to a necessary, manageable level. Today, traditional process models rely on sequential selection processes, which has an influence on the methods used. Requirements and functional specifications are central methodological components. In selection projects, requirement specifications are well suited for documenting the system's functions and the company's requirements. They form the ideal basis for contract negotiations between prospective providers and the commissioning companies. Well-structured specifications require a high degree of prior knowledge about the different types of application systems, and they are difficult to formulate from user and process perspectives. For this reason, FIR at RWTH Aachen University has developed a method that combines a user stories approach as used in agile project management with traditional requirements specifications. In the following sections, both the method and the experience gained are described and a example from practice is provided in which the methodology was successfully applied. Software selection projects are often characterized by a pronounced shortage of time and resources. Clear deadlines are usually defined as to when the systems are to “go live”. In traditional projects, this defines the preceding milestones for the individual project phases. Typically financial resources are limited and many of the employees are deeply engaged in their day-to-day work responsibilities so that they hardly find the time for additional project work. Due to these conditions,

UdZ 01.22 /11 sich neben finanziellen Mitteln insbesondere fest an stark ins Tagesgeschäft eingebundene Mitarbeiter:innen, die für die Projektarbeit kaum freigestellt werden können. Diese Rahmenbedingungen führen dazu, dass die Projekte einen FirstTime-Right-Charakter haben und daher methodisch fundiert geführt werden sollten. Beim Angang der Softwareprojekte stehen Unternehmen vor vielschichtigen Herausforderungen, denen sie sich während der Auswahl und Implementierung stellen müssen. Insbesondere die Spezifikation des Leistungsumfangs der neuen Software wirft verschiedene Fragen auf. Typische Fragestellungen sind: � „Wie kann dieser Prozessschritt digital unterstützt werden?“ � „Ist das eine Standardfunktion am Markt?“ � „Kann die neue Software das auch?“ � „Was passiert mit unseren teuren Sonderfunktionen und Eigenprogrammierungen?“ � „Die alte Software geht doch noch, warum machen wir das überhaupt?“ Die Implikationen der Fragen zeigen, dass Softwareauswahl- und Einführungsprojekte keine reinen IT-Projekte, sondern vielmehr Organisationsprojekte sind. Sie zeichnen sich dadurch aus, eine große Anzahl von Mitarbeitenden im Unternehmen zu betreffen und bedeuten daher einen erheblichen Bedarf an Change-Aktivitäten, um die Betroffenen aktiv am Projektfortschritt zu beteiligen. Der gezielte Umgang mit den Ängsten und Widerständen der Personen, aber auch die Einbindung kreativer Ideen der späteren Nutzer:innen (Stakeholder) schaffen eine belastbare Grundlage für ein erfolgreiches Projekt. the projects have a “first time right” character and should therefore follow a methodologically rigorous approach. At the start of a software project, companies are faced with multi-layered challenges that they must address during selectionand implementation. Inparticular, the specification of the scope of the new software raises various questions. Typical questions are: � “How can this process step be digitally supported?” � “Is this a standard function available on the market?” � “Is the new software able to do it?” � “What happens to our expensive customized functions and in-house programming?” � “The old software still works, why are we doing this at all?” These questions and their implications show that software selection and implementation projects are not pure IT projects, but rather organizational projects. They affect a large number of employees in the company and thus require considerable change management activities so that those affected are able and willing contribute to the progress of the project. Mitigation of the fears and resistance of employees and the integration of creative ideas of future users (stakeholders) create a solid basis for project success. The criticality of selection projects for enterprises, the complexity of requirement elicitation, as well as the stakeholder management process show that requirement elicitation, to be performed at the beginning of the software project, must be carefully executed. In addition to the challenge of determining functional requirements with the affected process stakeholders and process management,

FOCUS– BEST PRACTICES 12 / UdZ 01.22 Die Kritikalität von Auswahlprojekten für die Unternehmen, die Vielschichtigkeit der Anforderungserhebung sowie das gesamte Stakeholdermanagement zeigen, dass besonders die Anforderungserhebung am Anfang der Softwareprojekte zu betrachten ist. Neben der Herausforderung, die funktionalen Anforderungen mit den betroffenen Stakeholdern aus den Prozessen sowie dem Prozessmanagement abzustimmen, müssen auch die zentrale IT sowie die informationstechnischen Stakeholder bei der Aufnahme berücksichtigt werden. Da beide Seiten unterschiedliche Ontologien und Betrachtungsschwerpunkte bei der Festlegung des Funktionsumfangs der zukünftigen Software haben, bedarf es einer angepassten Auswahlmethodik. Im Folgenden wird das klassische Projektvorgehen zur Auswahl von Business-Software mit der agilen Methode der User-Storys ergänzt (s. Figure 1). Hierbei ist die Auswahl der Projektmethodik keine Entweder-oder-Entscheidung; vielmehr soll anhand der vorliegenden Rahmenbedingungen eine Kombination klassischer und agiler Methoden eingesetzt werden. Für die Softwareauswahl ist es wichtig, dass in jeder Phase das richtige Maß an Spezifikation getroffen wird, um den Aufwand für die Dokumentation und Kommunikation der Anforderungen gering zu halten. Dabei gilt es zu beachten, dass alle relevanten Informationen dokumentiert und verständlich, ohne Verlust, kommuniziert werden. Im Anschluss an die Projektinitialisierung und die Analyse der aktuellen Prozesse mit den verwendeten IT-Systemen the central IT department as well as IT stakeholders must also be involved in the process. Since both sides have different ontologies and focal points of consideration when defining the functional scope of the future software, an adapted selection approach is required. In what follows, the traditional project approach for selecting business software is complemented with the “agile” approach of drawing on user stories (see figure 1). Choosing a project methodology is not an either/or decision; in this context, a combinationof traditional andagilemethods was used based on the existing framework conditions. In software selection processes, it is important to meet the right level of specification in each phase in order to keep requirement documentation and communication efforts low. It is important to ensure that all relevant information is documented and communicated in an understandable manner and without loss. Following project initialization and an analysis of current processes and IT systems, companies define the future processes taking into account the new IT system to be introduced. The resulting requirements are listed in a specification sheet. However, defining new process flows and deriving solution-neutral requirements often pose challenges for the stakeholders concerned: On the one hand, users often lack deep, solution-neutral insights into the functionalities of the future software; on the other hand, the definition of end-to-end, digitalized processes is difficult because interactions with upstream Substeps Using User Stories Process Analysis Specifications Preselection Specification & Contract Project and Knowledge Management Final Selection 12 3 Market research Implementation Process Design Project Initialization 3Phases of Software Selection Figure 1: Phase-based software selection process including user stories for user-centric project and knowledge management

UdZ 01.22 /13 definieren Unternehmen die zukünftigen Prozesse unter Berücksichtigung des neu einzuführenden IT-Systems. Die daraus resultierenden Anforderungen werden in einem Lastenheft festgehalten. Die Formulierung neuer Prozessabläufe und die Ableitung lösungsneutraler Anforderungen stellen die betroffenen Stakeholder jedoch häufig vor Herausforderungen: Einerseits fehlt den Nutzer:innen häufig ein tiefer, lösungsneutraler Einblick in die Funktionalitäten über die auszuwählenden Software, andererseits ist die Definition durchgängiger, digitalisierter Prozesse schwierig, da Wechselwirkungen mit vor- und nachge- lagerten Prozessen meist nicht transparent sind. Ohne das Wissen über Funktionalitäten sowie der fehlenden Transparenz zur Gestaltung durchgängiger, digitaler Prozesse können Anwender:innen nur schwer lösungsneutrale Anforderungen in Lastenheften definieren. Wird dasklassischeVorgehenangewendet,könnendabeiüberspezifizierte, potenzialarme und sehr generische Lastenhefte entstehen, die den tatsächlichen Bedarf von Unternehmen und Anwender:innen nicht adäquat abbilden. Hinzu kommt, dass die fehlende Nutzerorientierung den begleitenden Change-Prozess nur bedingt unterstützt. Um diese Nachteile auszugleichen, empfiehlt sich der kombinierte Einsatz von Lastenheft und User-Storys, um auf diese Weise die Vorteile beider Methoden zu vereinen. User-Storys sind aus der Ich-Perspektive einer Rolle formulierte, nicht formalisierte Erklärungen einer Software-Funktion. Hierbei kann aus Sicht der Anwender:innen der Zweck der benötigten oder gewünschten Funktion angegeben werden, um die Anforderungen im Nachgang zu bewerten. Durch die Formulierung aus Sicht der Stakeholder sind User-Storys per se nutzerzentriert und unterstützen daher den Change-Prozess durch den einfachen Einbezug in den Auswahlprozess. Durch die Formulierung als „Story“ setzen sich die Stakeholder bereits mit ihren Anforderungen auseinander, sodass diese Anforderungen als informelle, lösungsneutrale Formulierung in Form eines Begleitdokuments einem Lastenheft angehangen werden können. Die Übersetzung der User-Storys in funktionale Anforderungen kann von Systemexperten in den Unternehmen übernommen werden oder durch die Software-Anbieter erfolgen. Das hilft dabei, eine Ausschreibung für eine neue Business-Software-Lösung anhand von User-Storys zu formulieren. Auch für die and downstream processes are typically not transparent. Without knowledge of the functionalities and given the lack of transparency in the design of end-to-end, digital processes, it is difficult for users to define solution-neutral requirements in specifications. If the traditional approach is used, this can result in over-specified, low-potential, and highly generic specifications that do not adequately reflect the actual needs of the company and the users. In addition, the lack of user-centricity makes the accompanying change management activities more difficult. To compensate for these disadvantages, we recommend the combined use of specifications and user stories, thus leveraging the advantages of both methods. User stories are non-formalized explanations of a software function formulated from a user perspective. The purpose of the desired or required function is explained in the words of the user, and this input can be used as a basis for a subsequent evaluation of the requirements. Told from the perspective of the stakeholders, the user stories are per se user-centric and their inclusion in the selection process supports the change process. Just by telling these “stories”, stakeholders think about their requirements; their informal, solutionneutral contributions can be added to the requirements specification in the formof an accompanying document. The user stories can subsequently be translated into functional requirements by in-house systems experts or by the software vendor. This helps to formulate an RFP (Request for Proposal) for a new business software solution based on user stories. User stories can also be used to create the requirements specification document. In this case, the user stories are supplemented by detailed information from the provider that reflects how they intend to implement the business software solution. The provider also indicates whether a requirement is met by the standard product or whether customized programming is necessary. User stories can also be used to complement a detailed functional specification in order to give the provider a better insight into customer requirements. Companies must decide whether exclusively to rely on user stories or whether to create a detailed functional specification. In any case, companies are recommended to agree on a detailed requirements specification with the provider before signing the contract. Above all, the user stories helped us to get all employees on board and to make use of their diverse ideas. ChristianWenzel, Innolite GmbH

FOCUS– BEST PRACTICES 14 / UdZ 01.22 Erstellung des Pflichtenheftes lassen sich User-Storys nutzen. In diesem Fall werden die User-Storys durch detaillierte Angaben des Anbieters ergänzt, die die Art und Weise der Umsetzung des Anbieters in der Business-Software-Lösung wiedergeben. Dabei gibt der Anbieter auch an, ob die entsprechende Anforderung im Standard oder ausschließlich über eine Anpassungsprogrammierung gelöst werden kann. Die User-Storys lassen sich außerdem als Ergänzung zu einem detaillierten Pflichtenheft auf Funktionsebene nutzen, um dem Anbieter einen besseren Einblick in die Kundenwünsche geben zu können. Ob man als Unternehmen ausschließlich User-Storys oder ein detailliertes Pflichtenheft auf Funktionsebene nutzt, müssen Unternehmen individuell entscheiden. In jedem Fall sollten Unternehmen nicht auf die gemeinsame und detaillierte Spezifikation der Anforderungen mit dem Anbieter vor der Unterschrift des Vertrags verzichten. User-Storys in Ausschreibungsprojekten anzuwenden und die Vorteile für sich nutzen zu können, bedarf einer Methodik-Schulung. Da die Formulierung von User-Storys für die Anwender:innen häufig Neuland ist, ist es hilfreich, Beispiel-User-Storys vorzustellen und zu diskutieren, um so die Anwender:innen an die Methodik heranzuführen. Besonderes Augenmerk sollte auf der Granularität der User-Storys liegen, um insgesamt ein einheitliches Level zu garantieren. Die geläufigen INVEST-Kriterien können zur Reflexion als Leitlinien bei der Erstellung dienen und erhöhen die Anforderungsqualität. INVEST fasst als Akronym An integration of user stories in tendering projects that provides real benefits requires methodology training. Since users are typically not familiar with creating user stories, it is beneficial to present and discuss sample user stories in order to introduce users to the approach. Particular attention should be paid to the degree of detail of the user stories to ensure consistency. The well-established INVEST criteria can be used as guidelines in the story creation process to improve the quality of the requirements definition. According to the INVEST acronym, user stories should be independent, negotiable, valuable, estimable, small, and testable. Figure 2 shows the advantages and disadvantages of traditional requirements specifications and “agile” user stories. As already argued above, the goal is not to apply one or the other method, but to achieve the best possible result by cleverly combining both. The disadvantages of the respective method must be addressed in the course of the project. The requirements elicitation process using a combination of user stories and a traditional approach has been tested and refined in several selection projects. It became clear that it is beneficial for sustainable documentation and efficient communication to assign user stories to the relevant order processing steps. This can be easily recorded with the help of user story cards, where stakeholders can specify the associated process step or process stage. This creates a process-related link between the user stories and order Software for Business Software for People „BEST OF BOTH WORLDS“ AGILE PROJECT MANAGEMENT ➖Disadvantage or Challenge ➕Advantage User Orientation➕ Stakeholder Competence➖ User Stories are Solution Neutral➕ Meeting the Granularity➖ Support Change Management ➕ Fulfillment by Providers ➖ Difficult to Assess siii ➖Requires System Knowledge ➕System Orientation ➖Very Complex to Implement ➕fully ➕Basis for Contract Design CLASSIC PROJECT MANAGEMENT HYBRID PROCESS Specifications User Stories ➖keine Nutzerorientierung Helps With User ➕ Acceptance Tests Figure 2: Comparison of traditional requirements specifications and “agile” user stories in the context of software selection

UdZ 01.22 /15 folgende Kriterien zusammen: Independent – unabhängig, negotiable – verhandelbar, valuable – nützlich, estimable – schätzbar, small – klein, testable– testfähig. Bild 2 (Figure 2) zeigt die Vor- undNachteile der „klassischen“ Lasten-hefte sowie der „agilen“ User-Storys. Wie schon erwähnt ist es nicht das Ziel, die eine oder andere Methode anzuwenden, sondern durch die geschickte Kombination beider das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Die Nachteile der Methoden bleiben teilweise bestehen und müssen im Projektverlauf adressiert werden. Inzwischen wurde die Anforderungs-erhebung mithilfe der Kombination aus User-Storys und klassischem Lastenheft in mehreren Auswahlprojekten erprobt und verfeinert. Dabei hat sich gezeigt, dass es für die nachhaltige Dokumentation und die effiziente Kommunikation sinnvoll ist, User-Storys den jeweils betroffenen Prozessschritten der Auftragsabwicklung zuzuordnen. Dies lässt sich leicht auf den UserStory-Cards festhalten. Dort können die Stakeholder den dazugehörigen Prozessschritt oder -abschnitt vermerken. Dadurch entsteht eine prozessbezogene Verknüpfung von User-Storys und dem Ablauf der Auftragsabwicklung, welcher für die Stakeholder eine Orientierungshilfe über die gesamte Auswahl darstellt. Der vorgestellte Ansatz, der auf der Nutzung von User-Storys zu Beginn einer Softwareauswahl und dem Lastenheft in der mittleren Phase in Vorbereitung auf die Ausschreibung basiert, lässt sich in dem hybriden Implementierungsvorgehen ‚ImplAiX‘ verorten (s. Figure 3). Die aufgenommenen User-Storys unterstützen dabei die Handlungsfelder der Implementierung „Anforderungs- und Test-management“, „Prozess- und Change-Management“, „Projektorganisation- und -management“. Sie liefern einen Baustein für ein übergreifendes Wissensmanagement, das Anforderungen über den gesamten Lebenszyklus der Software dokumentiert und zur Verfügung stellt. Damit kann der in der Auswahl begonnene Change-Prozess nahtlos in die Implementierung überführt werden. So können auch die vorgelagerten Phasen der Auswahl, also die Entwicklungsphase der Software und auch die nachgelagerte Phase des Betriebs, mit einbezogen werden. Im Betrieb entstehen laufend Anpassungswünsche der Nutzer:innen, welche ebenfalls als User-Storys erfasst werden können und somit die Nutzerorientierung in der Betriebsphase ermöglichen. In Summe ermöglicht der hybride Ansatz ein umfassendes und nachhaltiges Management der Anforderungen in der Softwareauswahl- und -implementierung und schafft dadurch einen nutzer:innengerechten Umgang mit den Stakeholdern der Anwendung. processing, providing guidance for stakeholders throughout the selection process. The pesented approach, which is based on the use of user stories at the beginning of a software selection project and focuses on the requirements specification document at the middle stages in preparation of the tendering process, follows the hybrid ImplAiX implementation process (see Figure 3). The integration of user stories supports the following implementation fields of action: Requirements and test management; process and change management; and project organization and management. They provide a building block for comprehensive knowledge management that documents the requirements andmakes them available throughout the entire software lifecycle. As a result, the change process started during selection can be seamlessly transferred to implementation. This makes it possible to consider both the upstream and downstream phases of the selection process, i.e. the software development and the operation phases. During operation, users will constantly submit adaptation request, which can also be recorded as user stories and thus facilitate user orientation in the operation phase. All in all, the hybrid approach enables comprehensive and sustainable management of the requirements in software selection and implementation and thus creates a user-centric approach involving all relevant stakeholders. Insights into Practice Together with the Aachen-based company Innolite GmbH, FIR created user stories with employees to evaluate the current ERP system and prepare for the selection of a new system. Increasing productivity in ultra-precision technology is the main focus of Innolite, whose experts have been supporting customers in the manufacture of optical surfaces for 14 years. With the development of ultra-precision machine tools, diamond machining processes, and advanced metrology for optical surface characterization, Innolite has a wealth of experience that is highly valuable to its customers. Numerous projects in the field of replication of high performance optics through injection molding expand knowledge on mold design, replication process strategies, and achievable accuracies. Over the course of the last years, Innolite has grown considerably, so that processes and IT support have now been put to the test with the aim of preparing the company for the future as best as possible. advertisement

FOCUS– BEST PRACTICES 16 / UdZ 01.22 Einblick in die Praxis Gemeinsam mit der Aachener Innolite GmbH hat das FIR im Rahmen der Bewertung des aktuellen ERP-Systems und zur Vorbereitung einer Neuauswahl User-Storys mit den Mitarbeitenden aufgenommen. Auf Produktivitätssteigerung in der Ultrapräzisionstechnologie liegt das Hauptaugenmerk von Innolite, deren Expert:innen seit 14 Jahren Kunden bei der Herstellung optischer Oberflächen unterstützen. Mit der Entwicklung von Ultrapräzisions-Werkzeugmaschinen, von Diamantbearbeitungsprozessen und fortschrittlicher Messtechnik für die Charakterisierung optischer Oberflächen verfügt Innoliteüber einen breiten Erfahrungsschatz, der für ihre Kunden sehr wertvoll ist. Zahlreiche Projekte auf dem Gebiet der Replikation von Hochleistungsoptiken durch Spritzgießen erweitern das Wissen um Werkzeugdesign, Replikationsprozessstrategien und erreichbare Genauigkeiten. In dem Zuge ist Innolite stark gewachsen, sodass Prozesse und IT-Unterstützung auf den Prüfstand gestellt wurden, um sich zukunftsweisend aufzustellen. Durch die starke Einbindung der Mitarbeitenden in den Aufbau der Geschäftsprozesse bei Innolite steckt jede Menge Wissen in deren Köpfen. Für die Geschäftsführung war es deshalb besonders wichtig, alle Mitarbeitenden einzubinden und ihre Ideen und Anregungen in den Auswahlprozess einfließen zu lassen. Um dies zu ermöglichen, setzte das FIR bei der Anforderungsaufnahme auf User-Storys. Die Mitarbeitenden mussten so aus ihrer Rolle heraus ihre Wünsche an das neue System formulieren und im gleichen Zuge Akzeptanzkriterien definieren. Diese dienen der Bewertung der Software durch die Mitarbeitenden und dem Anbieter als Leitlinie zur Erfüllung der Anforderungen. Zur Aufnahme wurde zunächst die Methodik der User-Storys mithilfe von Beispielen erklärt. Im Anschluss haben die Mitarbeiter:innen eine Vorlage erhalten, in die sie ihre User-Storys eingetragen haben. Nach 1 – 2 Wochen wurden diese eingesammelt und in gemeinsamen Terminen besprochen, um offene Fragen zu klären und ähnliche User-Storys zusammenzufassen. Durch die gemeinsame Diskussion der User-Storys in den Fachabteilungen wurden die Ergebnisse auch innerhalb der Abteilungen ausgetauscht, sodass die Anforderungen allen Beteiligten bekannt wurden. Die User-Storys konnten so für die Bewertung des aktuellen Systems – unter Berücksichtigung des zukünftigen Prozessdesigns und damit auch der User-Storys selbst – genutzt werden. Sie dienen Innolite weiterhin als Grundlage für die Auswahl und Einführung eines neuen ERP-Systems. Für Innolite lag der Vorteil vor allem in der einfachen Einbindung ihrer Mitarbeitenden. Due to Innolite’s strong involvement of employees in the development of business processes, a great deal of knowledge resides in the heads of its employees. It was therefore particularly important for the management to involve all employees and to allow their ideas and suggestions to contribute the selection process. To make this possible, FIR relied on user stories during the requirements elicitation process. In this way, the employees had to formulate their demands on the new system from their own perspective and, at the same time, define specific criteria for acceptance. These should serve as guidelines for the employees in the evaluation of the software and assist the provider in meeting the requirements. For the collection of user stories, the approach was first explained with the help of examples. Subsequently, the employees received a template in which they entered their user stories. After 1 –2 weeks, these were collected and discussed in joint meetings in order to clarify open questions and to summarize similar user stories. When jointly discussing the user stories in the departments, the results were also exchanged within the departments, so that all participants were familiarized with the requirements. The user stories could thus be used to evaluate the current system, taking into account the future process design and thus also the user stories themselves. They also serve Innolite as a basis for the selection and introduction of a new ERP system. For Innolite, the key advantage was the ease with which they succeeded in involving their employees. Markus Fischer, M.Sc. Deputy Division Manager Production Management FIR e. V. at RWTH Aachen University Phone: +49 241 47705-419 Email: Markus.Fischer@fir.rwth-aachen.de Contact More information can be found at: » aachener-produktionsmanagement.de Jessica Rahn, M.Sc. Project Manager FIR e. V. at RWTH Aachen University Phone: +49 241 47705-409 Email: Jessica.Rahn@fir.rwth-aachen.de

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